Aus "101 Dinge, die in keinem Elternratgeber stehen"

Achtung: nackte Wahrheiten übers Elternsein

Perfektion hat im Familienalltag nichts zu suchen: Unsere Autorin Silke Schröckert hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, wie absolut unplanbar, katastrophal-chaotisch und trotzdem rundum wunderbar das Leben als Schwangere und mit Kind(ern) ist. Insgesamt 101 ehrliche Anekdoten sind es geworden. Drei davon lest ihr hier.

Perfektion? Hat im Leben mit Kindern nichts zu suchen, findet Autorin Silke Schröckert.© Bild: Getty Images/SurfUpVector
Perfektion? Hat im Leben mit Kindern nichts zu suchen, findet Autorin Silke Schröckert.

1. Stuhlgang während der Geburt: Warum ihr aufhören könnt, diese Dinge zu googeln

Gebt es zu: Ihr habt es auch getan. Nachdem ihr in eurem Elternratgeber gelesen habt, dass Stuhlgang während der Geburt "vollkommen normal" ist, habt ihr angefangen zu googeln. Weil ihr es eben nicht vollkommen normal findet, vor den Augen anderer unkontrolliert zu defäkieren. Also habt ihr recherchiert: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das wirklich passiert? Wer bekommt das mit? Und was zum Geier kann man dagegen tun?

Ich habe folgenden todsicheren Tipp für euch: Ihr könnt jetzt und sofort aufhören, euch darüber Gedanken zu machen. Denn zum einen lautet die Antwort auf eure drängendste Frage eh: Ja, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werdet auch ihr während der Geburt nicht nur euer Baby rauspressen. Zum anderen aber kann ich euch beruhigen: Ihr bekommt davon genauso wenig mit wie euer Partner oder eure Partnerin. Weil eure Hebamme schon bei zig oder sogar Hunderten Geburten dabei war und ganz genau weiß, was sie da macht (und wie sie einige Dinge eben sehr diskret macht). Und die allerletzte Frage, die ihr euch unter den Geburtswehen stellen werden, ist: Ob da wohl gerade ein kleines bisschen Kacke mit rauskommt?

Ich bin mir sicher: Auch eure Hebamme wird es schaffen, euch mit dem wunderbaren Gefühl zu verabschieden, dass ihr gerade nicht nur neues Leben in die Welt gesetzt habt – sondern dass ihr zu dem minimalen Anteil der Frauen gehört, die das komplett stuhlgangfrei geschafft haben.

2. "Und was machst du jetzt den ganzen Tag?" – Warum die Elternzeit ein Fulltime-Job ist

Es gibt diese eine Kommunikationsweisheit zum Thema "Sender" und "Empfänger", die wir sicher alle schon mal gehört haben und die sinngemäß meint: Nur weil A etwas sagt, heißt das noch lange nicht, das B auch das hört, was A meint.

In dieser Geschichte heißt A Guido. Guido ist der älteste Freund meines Mannes, der uns drei Monate nach der Geburt unseres Sohnes in Hamburg besuchte. Ich bin B. Und als Guido-A mich-B vollkommen unschuldig und einfach nur interessiert fragte, was ich denn jetzt den lieben langen Tag so machte, hörte ich Folgendes: Findest du nicht, dass du mehr machen könntest? Ein bisschen Sport, um wieder in Form zu kommen? Oder zumindest den Haushalt? Wie sieht es hier überhaupt aus? Du hast doch jetzt den ganzen Tag Zeit, gib dir mal ein bisschen Mühe!

Nichts von alledem hat Guido gesagt oder nur gedacht. Aber ich. Also rechnete ich ihm vor, wie viele Stunden am Tag ich allein fürs Stillen aufbrachte, wie oft ich Windeln wechselte oder direkt die gesamte vollgemachte Kleidung, wann ich spazieren ging, damit das Baby (und ich) frische Luft bekommen und dass ich ja auch noch einkaufen ginge und es alles sowieso gerade eher zu viel als zu wenig sei, und – tada! – da waren sie wieder, die unkontrollierbaren Tränen (falls ihr dachtet, dass die Heulanfälle mit Ende der Schwangerschaft vorbei sind, muss ich euch leider enttäuschen. Die bleiben noch eine ganze Weile).

Sich um ein Baby oder Kleinkind zu kümmern, ist ein Fulltime-Job. Und zwar einer ohne Pausen oder Feierabend. Deshalb ist es besonders fies, dass es immer wieder Tage geben wird, an denen es sich abends so anfühlt, als hättet ihr nichts geschafft. Die Wäsche liegt noch zerknüllt im Trockner, die wichtige Überweisung ist schon wieder liegen geblieben, zur Post habt ihr es nicht geschafft und beim Zahnarzt könnt ihr jetzt auch nicht mehr anrufen, die Praxis hat schon zu, verdammt!

Doch völlig egal, wie lang die Liste mit unerledigten To-dos auch ist: Eure Have-done-Liste ist wesentlicher. Denn auf der steht an jedem einzelnen Tag ganz automatisch die Rund-um-die-Uhr-Versorgung eures Kindes. Und was könnte wichtiger sein? Andere Eltern, die schon mit ein bisschen Abstand auf diese Zeit blicken können, wissen das. Guido wusste es auch. Der Anspruch, dass man doch eigentlich viel mehr schaffen müsste, ist meistens nur der eigene. (Und natürlich der von kinderlosen Ratschlag-Gebern, die sowieso alles anders und besser machen würden). Sollte euch also irgendwann ein A fragen, was ihr eigentlich den ganzen Tag macht, seid ein entspanntes B und antwortet einfach: „Ich kümmere mich um mein Kind.“ Wenn ihr überhaupt noch irgendetwas anderes nebenher schafft, ist das großartig genug.

3. "Das mag ich nicht." – Warum eh nie gegessen wird, was auf den Tisch kommt

Meine Kinder lieben das Essen, das ich koche. Also, solange es Nudeln ohne alles ist. Oder Hotdogs ohne Würstchen (was im Grunde nur Weizenbrötchen mit Ketchup sind und ja, ich merke gerade selbst, dass das mit „kochen“ nicht mehr viel zu tun hat). Das war’s dann auch schon an komplikationsfreien kulinarischen Optionen für die allabendliche Auswahl: Pizza mag nur die Tochter, Pommes isst nur der Sohn. Fischstäbchen hassen sie beide, Pfannkuchen "schmecken nur in der Kita, Mama, deine sind komisch". Dabei gebe ich mir wirklich Mühe – nicht nur bei den Pfannkuchen: Ich forme Figuren aus Reis ("Was soll das sein, Mama?"), und ich frittiere mundgerechte Mini-Schnitzel ("Ich mag die Knusperschale nicht!"), ich kaufe Kartoffelpuffer in Tierform ("Können wir lieber einen bunten Teller haben?"), und ich schneide Ofenkartoffeln in Herzform zurecht ("Iiih, das sieht aus wie ein Po!"). Es nützt alles nichts.

Also finde ich mich mit dem Gedanken ab, dass "gemeinsame Mahlzeit" in unserer Familie zwar bedeutet, dass wir gemeinsam am Tisch sitzen – aber nicht zwingend, dass wir dabei die gleiche Mahlzeit verzehren. Denn meinem Mann und mir steht ausgesprochen selten der Sinn nach Weizenbrötchen mit Ketchup oder nackten Nudeln. (Was, aus Sicht unserer Kinder, uns zu den komplizierten Personen in dieser Angelegenheit macht.) Immerhin: Wenn mein Mann das Vanilleeis aus dem Tiefkühlfach holt, sind wir uns alle wieder einig. Und dann wird tatsächlich gegessen, was auf den Tisch kommt. Faszinierend. 

Autorin: Silke Schröckert

Unser Buchtipp zum Weiterlesen

Buch-Tipp 101 Dinge, die in keinem Elternratgeber stehen

Lust auf 98 weitere herrlich ehrliche Anekdoten von der Schwangerschaft bis zur Schulzeit? Mit "101 Dinge, die in keinem Elternratgeber stehen" hat Silke Schröckert einen Mutmacher für alle Eltern geschrieben. Als Mutter von zwei Kindern weiß sie nur zu gut, dass "normal" sowohl in der Schwanger- als auch in der Elternschaft ein dehnbarer Begriff ist.

Mit eigenen Erlebnissen aus ihrem Alltag und Beiträgen von zehn Gastautoren und -autorinnen erzählt sie euch nicht, wie das Familienleben sein sollte, sondern wie es wirklich ist. Das ist mal zum Brüllen komisch, mal emotional und ernst, dabei aber immer ehrlich.

"101 Dinge, die in keinem Elternratgeber stehen: obwohl sie so wichtig, witzig und wunderbar wohltuend sind!" von Silke Schröckert ist ab dem 1. Oktober im Handel erhältlich.