Beim Spielen kann natürlich auch mal was kaputt gehen ... © Foto: Getty Images/Elva Etienne
Müssen Kinder, die zu Besuch sind, ständig beaufsichtigt werden? 

Mein Sohn John liebt Playdates. Überall ist es spannender als zuhause. Als ich ihn kürzlich jedoch von einer Spielverabredung abholen wollte, niemanden in der Wohnung antraf und beim Anruf nur die Mailbox der Mutter erreichte, geriet ich in Panik. Nach zehn ewigen Minuten, der Rückruf: Sie war mit den Kindern noch in eine Pizzeria gefahren. Mein Kinn klappte gen Bürgersteig. So hätten sicher viele Eltern reagiert. Ein Restaurantbesuch war nicht abgesprochen.  Ist das überhaupt erlaubt? Die kurze Antwort: Ja. 

"Wenn ich fremde Kinder beaufsichtige, übernehme ich für diese Zeit von den Eltern die Aufsichtspflicht“, sagt der Fachanwalt für Familienrecht Joachim Hacke aus Düsseldorf. "Hier muss ich nur die Sorgfalt walten lassen, die objektiv angemessen ist und die ich als Maßstab für meine eigenen Kinder anlege“, erklärt Hacke. Achtung: "Es sei denn, mir sind Vorerkrankungen der Kinder, der Eltern oder andere Parameter bekannt, die besondere Vorsicht gebieten.“

Gefälligkeitsaufsicht: Ohne Absprachen keine Aufsichtspflicht

Im Alltag gibt es in Sachen Aufsichtspflicht deutliche Einschränkungen. Diese wird nämlich erst dann rechtlich übertragen, wenn die Eltern ganz konkrete Absprachen treffen. Etwa über die Dauer, Ge- und Verbote und Besonderheiten des Kindes. Ansonsten nennt man es Aufsicht aus Gefälligkeit: "Zum Beispiel, wenn ich ein Kind spontan nach der Kita oder Schule betreue", sagt Hacke. Auch wenn die Nachbarin oder die Freundin kurz auf das Kind aufpasst, oder man fremde Kinder auf dem Kita- oder Schulweg begleitet, spricht man von Gefälligkeitsaufsicht. Hier werden Kinder nur gelegentlich, über einen kurzen Zeitraum und ohne Entgelt beaufsichtigt. Im Ernstfall hat das deutlich geringere rechtliche Konsequenzen.

Vertrauen im Spiel

Und wie kann man zusätzliche Sorgen am besten vermeiden? "Vertrauen ist die Voraussetzung für eine Spielverabredung. Dies wird dadurch gestärkt, dass Sie wissen, was wo geplant ist", sagt Psychologe Christoph Haberer, Leiter der evangelischen Familienberatungsstelle Stormarn. Ausflüge sollten auch die Kinder selbst nicht überfordern: "Es ist empfehlenswert, dass Ihr Kind die andere Familie schon gut kennt, z. B. von vorangegangenen Besuchen oder gemeinsamen Aktivitäten." Lieber die Eltern des kleinen Gastes zu den Playdate-Plänen befragen, bevor das Kind selbst davon erfährt, dann kommen sie auch nicht in die unbeliebte "Verbieterrolle“.

Sicher im Recht

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte eine Spielverabredung vorher besprechen – vor allem, wenn ich das Gastkind nicht gut kenne. "Ich habe die Pflicht, mich bei den Eltern zu informieren, was das Kind bereits kann, je nachdem welche Unternehmungen geplant sind. Beispiel Fahrradfahren: Kennt das Kind die Grundregeln im Straßenverkehr?", so Joachim Hacke. Auch wichtig: Hat das Besucherkind Allergien, Krankheiten oder besondere Bedürfnisse? Und eigentlich selbstverständlich: "Man sollte sicherstellen, dass man die Eltern jederzeit erreichen kann und selbst jederzeit erreichbar ist."

Wie viel Aufsicht ist Pflicht?

Grundsätzlich gilt: Je jünger die Kinder, desto mehr Aufsicht wird benötigt. In der Wohnung müssen auch Kleinkinder nicht ständig beaufsichtigt werden, Hörweite reicht. Kinder unter vier Jahren sollten nicht alleine draußen spielen. Kinder im Vorschulalter müssen draußen alle 15 bis 30 Minuten überwacht werden. Ab sieben Jahren ist dies nicht mehr nötig, hier reicht ein grober Überblick der Eltern. Je risikoreicher das Spiel(umfeld), desto mehr bin ich als Elternteil gefordert. Steht im Garten ein Trampolin, gibt es im Haus eine Baustelle oder gar einen brennenden Kamin, muss ich über Gefahren aufklären, Verbote aussprechen. Und die Einhaltung lieber einmal mehr als einmal zu wenig kontrollieren.

Hau den Lukas

Übrigens: An Kindergeburtstagen gilt sie, die Aufsichtspflicht für fremde Kinder! Wie viel ich aufpassen muss, hängt vom Alter und Charakter der eingeladenen Kinder und auch der Situation ab. Eine Piñata ist z. B. ein Risiko. Bei solchen Aktionen muss man direkt danebenstehen, um eingreifen zu können. Bei fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht zahlt die Haftpflichtversicherung für Schäden. Habe ich aufgepasst wie ein Luchs und passiert trotzdem etwas, ist das Piñata-schwingende Kind schuld. Aber: Kinder unter sieben Jahre sind vor dem Gesetz deliktunfähig. Kriegt Lukas den Piñatastock ab und wird dabei z. B. seine Brille zerstört, bleiben die Eltern erst mal auf den Kosten sitzen. Bei der eigenen Haftpflichtversicherung nachzufragen lohnt sich – viele zahlen nämlich trotzdem.

Mein Abschlussplaydoyer für Playdates

Spielverabredungen sind wichtig – und Bedenken ja am Ende oft unnötig. Tatsächlich bekam ich John natürlich auch nach dem Playdate, das in der Pizzeria endete, unversehrt zurück: Er hatte leuchtende Augen und schlief danach wie ein Stein. "Kontakt zu anderen Kindern fördert das soziale Lernen", sagt Christoph Haberer. Zu lernen, dass es nicht nur mich gibt, und mit anderen klarzukommen ist für das weitere Leben essenziell. "Übernachtungen fördern die Eigenständigkeit und können Erfolgserlebnisse schaffen, sie sollten aber behutsam eingeleitet werden", so Haberer. Außerdem sei es gut, auch einmal zu erleben, wie andere Familien miteinander leben und welche Regeln dort gelten: "Das weitet den Horizont", sagt Haberer.

Autorin: Caren Schütt